Ich war beim Handaufleger. Osteopathen. Schließlich will ich nichts unversucht lassen. Also gehe ich auch da hin. Mein bisheriger Kontakt mit diesem Berufsbild waren zwei, drei wunderliche Geschichten von Bekannten. Es handelte sich um obskure Genesungsgeschichten, die sich die Betroffenen nicht selbst erklären konnten. Sie nuschelten nur etwas von Wärmeströmen und seltsamen Reaktionen des Körpers. Ich – nach wie vor nicht laufend, nicht schmerzfrei und sehr sehr unausgeglichen – griff nach diesem Strohhalm. Nicht ohne Skepsis und nicht ohne ätzende Kommentare. Schließlich galt es diesen Schritt vor mir selbst zu rechtfertigen. Die Krankenkasse bezahlt das ja nicht.
Erst einmal wird eine Bestandsaufnahme gemacht. Wo tut es weh? Seit wann? Gab es mal OPs? So weit – so bekannt. Dann kam der Teil mit dem Handauflegen. Im Stehen, im Sitzen, Im Liegen. Die Hände lagen einfach auf meinen Schultern, auf meinem Rücken, unter meinem Hintern. Lange. bewegungslos. An Entspannung war nicht zu denken. Statt dessen bohren sich Zweifel und Spott in mein Gehirn.
Guck dich an. Liegst hier in Unterwäsche und lässt die Frau deine Arschbacken anfassen und glaubst, das jetzt alles wieder gut wird. Kein Effekt, keine warme Strömung, kein Plopp – nichts erlöst mich aus dieser Lage. Ab und zu zucken meine Beine – das liegt sicher daran, dass ich sehr angespannt da liege, weil ich mich nicht mit meinem vollen Gewicht auf die Hände der Frau legen will. Als sie zum Kopf wechselt, ragt, sie was mit meiner Linken Schulter los sei. da säße die Ursache, da sei eine Blockade. Aha. Hatte ich nicht gesagt, ich habe Probleme im Lendenwirbel Bereich und Schmerzen an der Außenseite der Knie? Schulter. Schulter? Ja, mein Gott als Sechsjährige habe ich mich an dem Tag, an dem ich Fahrradfahren gelernt habe gewickelt.
Afni Katirci hat sich getraut einen Abhang runter zu fahren, und ich wollte ihn beeindrucken. Also bin ich auch runtergefahren und habe mich überschlagen. Meine Schulter hat mir danach weh getan, was aber wieder weggehen würde, sagten meine Eltern damals. Als es nach einer Woche nicht weg war, haben sie es mal einem Orthopäden gezeigt, der ein gebrochenes Schlüsselbein diagnostiziert hat. Aber mein Gott. Das war 1982!
Aha, sagt jetzt die Frau. Das könnte die Ursache sein. Na, klar denke ich. Und was wäre gewesen, wenn es die rechte Schulter war? So genau weiß ich das nämlich nicht mehr. Die Zweifel bleiben. Ich bin ein Effekt Mensch. Ich glaube an Medikamente und an Geräte. Vorher – Nachher. Krank – Gesund.
Nach einer Stunde, ziehe ich mich wieder an. Wundere mich über mich, und bedanke mich höflich. Am besten noch mal wieder kommen, sagt die Frau. Dann hilft es besser. Na, klar, sage ich und denke an die 80 Euro.
Das war vorgestern. Seit ich diese Praxis verlassen habe, tut meine Schulter weh! Ich komme mir vor, wie ein Eishockey Spieler nach einem Body Check. Ein Kosmischer Witz? Nein, sagen die Fans des Handauflegens, nein – da löst sich eine Blockade. Das ist gut. Die Ursache ist gefunden. Die Selbstheilung läuft.
31. Oktober 2009 at 12:17
Wundernd drücke ich dir einfach nur die Daumen, dass es wirklich irgendwie wirkt …
31. Oktober 2009 at 14:33
Mit den Wunderheilern ist das immer so eine Sache, aber wenn man wirklich dran glaubt, dann kann sich das durchaus positiv auf Verletzungen auswirken. Ich bin da aber auch eher etwas skeptisch. Überlege dir also gut, ob du nochmals 80 Euro investierst. ;-)
Gruß, Daniel
31. Oktober 2009 at 18:22
@ Hannes > Abwarten….
@ Daniel > 80,- Euro sind andererseits schnell mal für Ausrüstung ausgegeben, und keiner wundert sich darüber. Ich muss noch mal in mich gehen.
1. November 2009 at 07:15
Ich schließe mich mal den Skeptikern an. Aber ob wir nun über einen Placebo-Effekt reden oder nicht: Wenn es hilft – wie auch immer – ist doch alles gut. Ist halt nur blöd, dass die Kasse das nicht zahlt…
Auf jeden Fall: Schön geschrieben!
1. November 2009 at 09:28
@ ewiger Anfänger > Danke dir. Ich hätte kein Problem damit, das selbst zu bezahlen, wenn wenigstens ein Bruchteil meiner Brille bezahlt werden würde, oder meiner Zahnkrone…
1. November 2009 at 20:12
Hmm, 80 Euro um sich ´ne Stunde lang therapeutsich den Hintern begrabbeln lassen, das ist echt nicht ganz ohne.
Und wenn man dann auch noch ein zynisch-moderner Skeptiker ist, der sich nicht einfach so auf dieses New-Age-Gedöns (jawohl, ich selbst bin auch zynisch und skeptisch) einlassen kann – tjoaaa…
Wenn man hinterher noch Zweifel hast, ist das ja vielleicht schon irgendwie ein Zeichen, dass das nicht so das Richtige für einen ist, denn wenn man nicht wirklich uneingeschränkt dran glaubt, dann klappt das wohl eher nicht.
Aber andererseits ist da natürlich die Möglichkeit, dass es dadurch irgendwie doch besser wird.
(Aber wieder andererseits: Möchte man riskieren, irgendeiner Reiki-Tante mit seltsamen Heilsversprechen immer mehr Geld in den Rachen zu stopfen, in der Hoffnung, dass es hilft???)
[Aber wieder wieder andererseits: Aber was, wenn´s doch hilft????]
Tough Choice.
Egal wie du dich entscheidest, versuch, voll dahinter zu stehen.
Zweifelnd hinzugehen bringt wahrscheinlich nichts, und zweifelnd wegbleiben ist auch nicht gut…
1. November 2009 at 22:22
Ich drücke beide Daumen und bin mir sicher, dass das bald wieder alles bei Dir im Lot ist.
Ob nun mit oder ohne „Handauflegegedöns“ sei mal dahin gestellt. Ich zähl mich da allerdings auch zu den Skeptikern ;-)
3. November 2009 at 19:24
Du hast das in Worte, was ich damals auf der Liege liegend dachte – wunderbar (be)geschreiben!
Ich drück Dir die Daumen, ganz arg sogar!!
4. November 2009 at 12:29
@ Matbs > Ich will das es hilft, also muss ich ihr jetzt glauben und geh nochmal hin.
@localZero > Danke dir, also an Skepsis fehlt es uns allen nicht….
@ Pienznaeschen > Gott sei Dank – du warst auch schon mal da. Irgendwas ist da – so viel steht fest. New-Age-Gedöns, Blödsinn, Energie? Ich würde sagen Verzweiflung!
14. November 2009 at 10:46
[…] die Osteopathin aufgesucht. Schließlich will ich wissen wie es weitergeht mit der Schulter und dem Selbstheilungsprozess. Sie fiel sogleich in das Gerede von der Prozeshaftigkeit ein, ordnete meine plötzlichen […]